Ich bin

Ye-One.

Ich bin eine Frau mit Migrationsgeschichte. In Aachen wurde ich geboren, ich bin hier zur Schule gegangen und habe hier studiert. Ich hatte viel Glück in meinem Leben. Es soll aber in unserer Gesellschaft nicht darauf ankommen, ob man Glück hat. Ich möchte, dass unsere Gesellschaft gerechter wird.

Deswegen mache ich seit 2005 Politik und bin Mitglied der SPD. Dafür vertrete ich die Stadt Aachen seit 2021 im Bundestag. Wie ich dahin gekommen bin, erzähle ich Euch hier.

Geboren wurde ich 1987 im Aachener Luisenhospital. Ich habe die Kita Alfonsstraße besucht, war auf der Grundschule in der Luisenstraße und habe mein Abitur an der Viktoriaschule gemacht.

Nachmittags war ich in der OT Josefshaus oder habe in der Musikschule am Blücherplatz Blockflöte und Geige gespielt. Ich war Sternsingerin in St. Adalbert und wurde in der Dreifaltigkeitskirche konfirmiert.

Ich habe im Ludwig Forum gemalt und bin im SV Neptun geschwommen. Ich war an der Gründung des Schüler-Cafés im Aachenfenster beteiligt. Nach der Schule habe ich an der RWTH Aachen Politische Wissenschaft und Sprach- und Kommunikationswissenschaft studiert.

Ich habe zwei Jahre im Programm „Deutschland und Asien“ in der Bertelsmann Stiftung in Gütersloh gearbeitet, bevor ich dann als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Wahlkreisbüro von Ulla Schmidt angefangen habe. Im März 2015 wechselte ich dann ins Wissenschaftsministerium in Düsseldorf. 2018 bin ich im Rahmen einer Abordnung ans Institut Textiltechnik der RWTH Aachen (ITA) gegangen, um mir einen Eindruck der Wissenschaftspolitik vor Ort zu machen. Von 2020 bis 2021 war ich im Bereich der Wissenschaftskommunikation am DWI – Leibniz-Institut für Interaktive Materialien tätig. Auch während dieses Jobs bin ich weiterhin im Ministerium beschäftigt und lediglich beurlaubt.

Meine Eltern kamen 1986 aus Südkorea nach Deutschland. Sie sind in Deutschland geblieben, weil ihnen das Leben hier gut gefällt. Ihnen gefallen die Kultur, die Werte und die Lebensweise. Mein Vater hat bis zu seinem Ruhestand als Dozent an der RWTH Aachen gearbeitet und meine Mutter ist Krankenpflegerin im Luisenhospital.

Nach einer kurzen Zwischenstation in einem Studierendenwohnheim zogen meine Eltern in eine Wohnung in einem Mehrparteienhaus. Das war für uns ein Glücksfall, denn in dem Haus herrschte statt Ablehnung viel Neugier.

Unsere direkte Nachbarin wurde unsere deutsche Oma.

Deutsche Omas spielen im Leben vieler Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine große Rolle. Unsere Oma nahm meine Mutter mit zum Einkaufen, kochte und backte mit ihr und schaute mit ihr fern. Auf dem Programm standen Sendungen wie Lindenstraße und die Tagesschau. So hat sie die deutsche Kultur, Sprache und Küche kennengelernt, im Alltag und in Interaktion mit anderen Menschen.

Ein bekanntes afrikanisches Sprichwort lautet: „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen.“ Und meine Erfahrung sagt, dass das stimmt.

Wenn ich zurückblicke, hätte meine Kindheit sehr einsam sein können.

In Deutschland gab es ja nur uns vier: Meine Eltern, meinen Bruder und mich. Aber das Gefühl hatte ich nie. An St. Martin machten wir mit unseren Laternen die Runde durch das ganze Haus und haben vor jeder Wohnungstür gesungen. Zur Einschulung bekamen wir eine große Schultüte von allen Nachbar:innen. Und der Nikolaus war immer besonders großzügig und die Stiefel jedes Jahr voll.

Heiligabend haben wir immer mit der ganzen Familie bei der Oma verbracht. Oma machte Gans und meine Mutter brachte koreanisches Kimchi mit. Das waren dann unsere eigenen Traditionen.

Ich bin in zwei Sprachen und zwei Kulturen aufgewachsen. Meine Eltern haben zuhause nur Koreanisch mit mir gesprochen. Jedes Mal, wenn ich das erzähle, ernte ich ungläubige Blicke: Ich spreche ja trotzdem fehlerfrei Deutsch. Mein Bruder und ich haben mit unseren Nachbar:innen und im Kindergarten Deutsch gesprochen. Das hat gereicht.

Insgesamt hatte ich als junge Frau mit sichtbarem Migrationshintergrund viel Glück im Leben.

Ich war oft zur richtigen Zeit am richtigen Ort und habe die richtigen Menschen kennengelernt, die mich unterstützt haben. Die mir die Möglichkeit gegeben haben, die Chancen, die ich hatte, auch zu nutzen. Aber viele Menschen bekommen diese Chancen gar nicht erst, weil das Leben von immer noch zu vielen Menschen von Glück und Zufall abhängt: vom Elternhaus, von der Herkunft, vom Geschlecht und von Geld.

Mein politisches Engagement startete 2005 und mein politischer Weg war nicht ungewöhnlich:

Ich war stellvertretende Vorsitzende der Jusos Aachen, koordinierte zahlreiche Wahlkämpfe und engagierte mich für die Juso Hochschulgruppe im Studierendenparlament und im AStA der RWTH Aachen.

Seit 2010 bin ich Mitglied des Parteivorstands der SPD Aachen und seit 2018 stellvertretende Parteivorsitzende.

2014 wurde ich das erste Mal in den Rat der Stadt Aachen gewählt, dem ich bis 2022 angehörte. Ich war Mitglied im Ausschuss für Arbeit, Wirtschaft und Regionalentwicklung und im Bürgerforum. Als mobilitätspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion lag mein kommunalpolitischer Schwerpunkt vor allem auf dem, was auf Aachener Straßen passiert – egal ob zu Fuß, auf dem Fahrrad, im Bus oder im Auto. Neun Jahre lang koordinierte ich die Mobilitätspolitik der SPD-Ratsfraktion – zunächst in der Großen Koalition mit der CDU, bei wechselnden Mehrheiten und zuletzt in einer Koalition mit den Grünen.

Für mein kommunalpolitisches Engagement wurde ich 2015 mit dem Helene Weber-Preis für herausragende Kommunalpolitikerinnen ausgezeichnet. Seit 2009 wurden 65 Kommunalpolitikerinnen ausgezeichnet – aus dem ganzen Land aus allen Parteien. Ich verstehe diesen Preis auch als Verpflichtung, mein politisches Engagement mit genauso viel Leidenschaft weiterzuführen und Vorbild für andere Frauen in der Kommunalpolitik zu sein.

Wollt Ihr wissen, wie mein Name ausgesprochen wird?

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